Wilfried Skreiner
Der manifeste Widerstreit

Immer stärker konzentrieren sich die Papierskulpturen des Herwig Steiner auf Zentren, auf Bezugspunkte. Der Bildhauer, Schüler von Bruno Gironcoli, hat einen eigenen Weg gefunden, sich in einer beeindruckenden Kontinuität ein Thema gestellt. Die aus Papieren errichteten Reliefs sind körperhaft, die Einzelformen abstrakt, zur Geometrie neigend. Von einer Silhouttenform scharf umrissen, sind sie gleichsam von einer Bewegung erfüllt, die Formen schieben sich mit Expressivität neben und übereinander, sie werden in den dargestellten Drang zur Bewegung gleichsam in den Bildgrund gedrückt oder sperrig aus diesem herausgehoben. In unterschiedlichen tiefen Grüntönen bemalt Steiner diese Objekte. Das Pflanzenhafte tritt damit hinzu, so als stünde man vor einem Rasenstück, einem Laubwerk, vor sumpfiger Vegetabilität. Aber das dumpfe Grün erinnert nur an das Leben, trägt es nicht mehr in sich. Die Synthese zwischen Relief und Malerei ist auch inhaltlich, gibt einen Zustand, der zu Ende gekommen ist, wieder. Es ist Endzustand. Der pflanzliche Charakter der Reliefs, die so erfüllt erscheinen von Bewegung und damit Belebtheit, Wachstum und Fülle werden vor allem durch die Bemalung gleichsam abgetötet, in die Stille einer Erfülltheit hinübergeführt, die sie selbst gleichsam als Kokons, als vertrocknende Hülsen, als das Heu erscheinen lassen. Dieser Widerstreit zwischen Leben und Tod, zwischen Bewegung und Starre endet in dem der zu Ende gekommenen Entfaltung und der heuartigen Austrocknung. Aber es ist keine mittelalterliche Vanitas-Metapher, die uns Steiner darstellt, wie sie aus diesem Text herausgelesen werden könnte, sondern ein ebenso sensibles, wie hintergründiges Spiel mit den skulpturalen Formen und den Assoziationsmöglichkeiten, die sie uns bieten, die uns zu einer beantwortenden Betrachtung aufrufen. (1989)

Wilfried Skreiner, Der manifeste Widerstreit. Zu den Skulpturen von Herwig Steiner, in: Österreichisches Museum des 21. Jahrhunderts, Ausst.-Kat. Hochschule für angewandte Kunst Wien, Wien 1989

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