Sabine Folie
Wenn Gesetze infam sind
When Laws are Infamy
„Revolution durchstößt Geschichte und Überlieferung. Tätige Kritik, Realisierung einer Doktrin sollen sich stärker erweisen als die verbrauchte Wirklichkeit. In die Gegenstände hat man erinnernde Überlieferung gesammelt. Also wäre Aufgabe einer beginnenden Revolution, die Gegenstände zu zerstören; Entdinglichung zugunsten einer Utopie.“
Carl Einstein 1
„Gesetz und Verbrechen“ von Herwig Steiner aus dem Jahre 2005 kann als konzeptionelle künstlerische Arbeit, und wegen ihres faktisch intervenierenden Charakters als Kontextkunst bezeichnet werden. Sie ist für einen bestimmten Zusammenhang gemacht und erlaubt nur in diesem eine angemessene Exegese: „Der Blick auf den Dom, die Besitzverhältnisse des Hauses – Stephansplatz 6 steht seit jeher im Eigentum der Katholischen Kirche (Erzdiözese Wien) – verweisen auf die lange Tradition des religiösen Antisemitismus, der gerade in Wien den Weg für den rassisch motivierten Antisemitismus freimachte. Textauszüge aus den Verordnungen und Erlässen zur nationalsozialistischen Rassengesetzgebung bezeichnen gleichermaßen die Opfer, die Täter, die Verbrechen und die sprachlich-juristischen Attitüden, deren Texttradition Teil einer Kontinuität ist, die bis in die Gegenwart reicht.“ 2 Diese Ortsspezifik unterstützt die Idee von Kunst als Mahnmalfunktion: „Diese Textfelder sind Teil eines Kunst-Architektur-Hybrids: Wand, Tür, Eingang und Passage sind fest ins Gebäude verankert und bilden auf 15 Quadratmetern ein optisch ‚brillantes‘ Zeugnis gegen Verdrängung und Wiederholung.“ 3
Im Zuge des Umbaus seiner Kanzlei beauftragt der Rechtsanwalt Andreas Manak Herwig Steiner mit einer künstlerischen Intervention, die auch architektonischen Charakter haben kann. Steiner will die „Funktion der Kanzlei“ als „realen Ort der Gegenwart“ mit dem historischen Gedächtnis des Hauses und einem der „drastischsten Machtdiskurse unserer Geschichte“, den Nürnberger Rassegesetzen samt Verordnungen und Erlässen, zu einer bedeutungsgeladenen Arbeit verweben.
Formal entscheidet er sich für eine transluzente Architektur des Changierens, der Uneindeutigkeit: Auf Glaswände, die als Trennwände fungieren, wird in einem aufwändigen Verfahren eine digital generierte Bildoberfläche aufgetragen. Der Duktus des erzeugten Bildes ist piktoral, digital collagiert mit Textfragmenten, die, in unterschiedlichen Größen eingesetzt und darüber gelegt eine Geschichte und eine Sub- oder Metageschichte referieren: die Geschichte der Faktizität von Text, der sich in Verbrechen materialisiert, und von Metatext, der das darstellt, was Steiner einmal die „symbolischen Massen“ nennt, vielleicht die Summe unseres kollektiven Gedächtnisses oder auch die Potenzialität der Utopie, wie sie Carl Einstein 1926 in Bezug auf den russischen Konstruktivismus formuliert. Die Texte sind also weder Truisms, wie sie Jenny Holzer etwas prätentiös und mahnend in die Welt setzt, noch erfundene, künstlerisch verbrämte Slogans, die die mediale Welt parodieren (Barbara Kruger); sie sind weder Poesie noch Erfindung des Künstlers, sondern Zitate, Texte, welche die Geschichte selbst geschrieben hat im Namen eines Rechts des Ausnahmezustands.
Georgio Agamben, ausgebildeter Jurist und Philosoph, hat über diese Rechtssprechung des Ausnahmezustandes geforscht und seine erhellenden Überlegungen sind ein geeignetes Instrumentarium der Annäherung an eine unfassbare Perfidie, die der scheinbaren Paradoxie „Gesetz und Verbrechen“ zugrunde liegt: die Schaffung einer Gesetzgebung, um Verbrechen zu rechtfertigen, i. e. die totale Invertierung der ursprünglichen Intention einer Gesetzgebung des Ausnahmezustandes, nämlich der Ermöglichung, bei Gefahr im Verzug die bestehende Rechtsordnung zu verteidigen. Die Geschichte lehrt uns, wie sehr Gesetze Ermessenspielräume öffnen und dass sie bis zu dem Punkt pervertiert werden können, an dem sie nicht Recht sprechen, sondern Unrecht, ja Verbrechen rechtfertigen oder überhaupt erst generieren. Die Geschichte zeigt uns weiters, wie unterschiedlich Fragen der Moral und Fragen des Rechts beantwortet werden.
Der Ursprung des Terminus „état de siège fictif ou politique“ (fiktiver oder politischer Belagerungszustand) kommt, wie Agamben nachweist, aus der französischen Rechtslehre und „bezieht sich auf den napoleonischen Erlass vom 24. Dezember 1811, der die Möglichkeit eines état de siège vorsah, den der Kaiser erklären konnte, und zwar unabhängig von der tatsächlichen Lage seiner betroffenen oder direkt von feindlichen Kräften bedrohten Stadt.“ 4 In Deutschland hat der Artikel 48 der Weimarer Verfassung Hitlers Machtergreifung erst eigentlich ermöglicht: „Unmittelbar voraus ging ihm Artikel 68 der Bismarckschen Verfassung, der vorsah, dass, ‚wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete bedroht ist‘, der Kaiser‚ einen Teil desselben in Kriegszustand erklären‘ kann, und der zur Bestimmung der Modalitäten auf das preußische Gesetz über den Belagerungszustand vom 4.Juni 1851 verwies. 5 Nach Kriegsende wurde auf dieser Basis der Artikel 48 formuliert: „Wenn im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit erheblich gestört und gefährdet ist, [kann der Reichspräsident] die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen, erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht einschreiten. Zu diesem Zwecke darf er vorübergehend die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 festgesetzten Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft setzen.“ 6 Carl Schmitt spricht davon, dass „keine Verfassung der Erde einen Staatsstreich so leicht legalisiert wie die Weimarer Verfassung.“ 7
Zwischen 1919 und 1933 wurde nach Agamben dieser Ausnahmezustand mit den dazugehörigen Notstandsverordnungen 250 Mal ausgerufen, dies besonders, um Mitglieder der kommunistischen Partei zu eliminieren. Die Weimarer Republik wurde in den Jahren der Endphase zu einem „Regime des Ausnahmezustandes“, der dann letztlich bis Kriegsende anhielt. Nur in diesem Vakuum konnte Hitler an die Macht kommen: Die Weimarer Republik hatte sich in eine Präsidialdiktatur verwandelt und die Regierung Brüning löste den Reichstag ganz auf. „Der Ausnahmezustand, in dem sich Deutschland unter der Präsidentschaft Hindenburgs [der seit 1932 gegen Hitler und Thälmann zum Reichspräsidenten gewählt wurde und Brüning zum Rücktritt zwang] befand, wurde von Carl Schmitt auf Verfassungsebene gerechtfertigt durch das Argument, der Präsident habe als ‚Hüter der Verfassung‘ gehandelt […]; das Ende der Weimarer Republik zeigt dagegen in aller Klarheit, dass eine ‚geschützte Demokratie‘ keine Demokratie ist und dass das Paradigma der Verfassungsdiktatur eher als Phase eines Übergangs funktioniert, der in fataler Weise zur Einsetzung eines totalitären Regimes führt.“ 8 „Der Ausnahmezustand als Form der Not erweist sich also – neben Revolution und faktischer Einrichtung einer verfassungsmäßigen Ordnung – als eine zwar ,illegale‘, aber absolut ,recht- und verfassungsmäßige‘ Vorkehrung, die sich durch die Schaffung neuer Normen (oder einer neuen Rechtsordnung) konkretisiert.“ 9 Soviel zur Dynamik und Bandbreite des „Gesetzes“.
Die Begründung, wonach eine religiös oder rassisch determinierte Gruppe die nationale Sicherheit des Dritten Reiches gefährdete und daher der Ausnahmezustand ausgerufen werden müsse, respektive konkret die Nürnberger Rassengesetze erlassen werden müssten, zeugt von einem Missbrauch der Gesetzgebung für die Umsetzung eines Genozids, wie ihn die Geschichte noch nicht kannte. „Durchdrungen von der Erkenntnis, dass die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des deutschen Volkes ist, und beseelt von dem unbeugsamen Willen, die deutsche Nation für alle Zukunft zu sichern, hat der Reichstag einstimmig das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird“, hieß es in der Präambel zum Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935. Der Gegenstand dieser Gesetze war die sukzessive Entmündigung, Erniedrigung und Vernichtung der Bürger jüdischer Abkunft oder jüdischen Glaubens durch Berufsverbot, Heiratsverbot zwischen Juden und Nichtjuden, Namensänderung und der Zwang, sich durch den Judenstern nach außen hin als Zielscheibe zu markieren.
Die Nürnberger Gesetze sahen durchwegs vor, im Notfall, der im Ermessensspielraum der Behörden lag, die eben stipulierten Gesetze außer Kraft zu setzen und zu umgehen, ohne weitere Angabe von Gründen. Damit wurde in scheinbar rechtsstaatlicher Form die Herrschaft der absoluten Willkür installiert, denen die Betroffenen vollkommen ausgeliefert waren.
Von 1933 bis 1943 wurden diese Gesetze und Notstandsverordnungen immer restriktiver und menschenverachtender; 1938 kamen sie im Zuge des Anschlusses an das Deutsche Reich auch in Österreich zur Anwendung.
Nach diesem Exkurs in den Begriff des Ausnahmezustands dürfte klar sein, dass derjenige, der sich für das Recht einsetzt, sich nicht notwendigerweise für das ethisch Gerechte einsetzen muss. Laut Agamben leben wir heute ebenfalls in einem permanenten Ausnahmezustand, in dem die Exekutive zunehmend gesetzgebende Funktion bekommt und das Parlament zunehmend entmachtet wird.
Der Jurist also als Technokrat, Schöpfer und Vollstrecker einer Rechtsordnung, die völlig von der Politik abhängig und einem ständigen Wandel unterworfen ist? Der Jurist weiß, dass er ein Funktionär einer Ordnung ist und nicht notwendigerweise ein Parrhesiast 10, ein Wahrsprecher, einer der prophezeit, sich für die Wahrheit und die Kritik einsetzt, auch wenn er weiß, dass er gegen die Herrschenden spricht und sich dadurch der Gefahr aussetzt. Im Gegenteil, er darf dies per definitionem nicht, weil er die bestehende Rechtsordnung verteidigen muss, sie niemals in Zweifel ziehen darf. Das ist zumindest nicht seine Berufung, denn es wäre eine übergeordnete „Wahrheit“, die das bestehende Recht durchaus kontrastieren könnte, nicht muss. Es ist unmöglich, darüber zu spekulieren, was passiert wäre, hätte es im Dritten Reich mehr Parrhesiasten gegeben…
Der Akt, ein quasi Menetekel als allgegenwärtigen Warnruf nicht irgendwo versteckt an die Wand zu hängen, sondern zur überdeutlichen Präsenz in das Umfeld der täglichen Rechtsanwendung zu erheben, sich ständig damit zu konfrontieren und auch die Kunden, die im Warteraum der Kanzlei vor dieser durchlässigen Wand sitzen und den Warnruf der Geschichte in Form eines verstörenden Textes auf einem malerischen Untergrund wahrnehmen, zeugt von hoher Selbstreflexion gegenüber dem eigenen Tun und von einer Offenheit gegenüber Fragestellungen, die der Funktion des Rechtsprechens immanent sind. Der Rechtsanwalt unterwirft sich einer Übung, einem Exerzitium der täglichen Selbstbefragung und der ständigen Alertheit gegenüber dem sich verändernden Gesetzes-Text der Gegenwart.
Herwig Steiner benutzt den Gesetzestext des Ausnahmezustandes als Matrix, der in ein Geflecht von Farbflächen hineingewoben ist. Vielleicht ist es Zufall, dass gerade die Farbe der Ausgrenzung, Gelb, und die Farbe Rot, die Farbe Christi und des Opfers, zum Einsatz kommen. In den piktoralen Subtext der „Entdinglichung zugunsten der Utopie“, um mit Carl Einstein zu sprechen, ist in Form eines abstrakten, prismatischen Raumes aus leuchtenden und strahlenden Flächen der Text des Grauens eingeschrieben. Es sind Glasfenster wie in Kirchen. Der Text des Grauens auf einer Oberfläche, die Transzendenz suggeriert: Diese Evokation der Widersprüche ist das Äußerste an Interpretation, die sich Steiner gerade noch erlaubt.
Steiner lässt den Text der Geschichte selbst sprechen, ohne ihm etwas hinzuzufügen. Der Eingriff besteht in der Auswahl und Rhythmisierung und damit Verleihung von Bedeutung von typographisch verschieden groß gestalteten Textpassagen und in der Gestaltung der „optisch brillanten“ Matrix. Ist das ironisch gemeint? Jedenfalls scheinen Widersprüche nebeneinander existieren zu können: das absolut Böse und das absolut Gute oder Schöne, ohne sich gegenseitig aufzuheben. Aber gerade diese Juxtaposition ruft zu geistesgegenwärtiger Durchdringung auf.
Das eingangs erwähnte Zitat stammt von einem der wichtigsten (jüdischen) Kritiker der Avantgarde der 1920er-Jahre, Carl Einstein, der in Deutschland lebte, 1928 nach Paris emigrierte und sich 1940 wie Walter Benjamin auf der Flucht vor den Nazis das Leben nahm. Er war einer der maßgeblichen Theoretiker des Kubismus, der ihm eben die Möglichkeit zu bieten schien, die ideologisch kontaminierten Gegenstände zu zerstören und aus der Tabula rasa, dieser diffusen Fläche von abstrakten Formen, die Utopie eines neuen Denkens entstehen zu lassen.
In dieser Tradition und jener der Texteinschreibungen, die von den mittelalterlichen Druckgraphiken über Dada, Kubismus, Futurismus bis zur Konzept- und Neokonzeptkunst unserer Tage führt, dürfen wir die Wurzeln von Steiners Arbeit sehen.
Man fühlt sich unwillkürlich an das Bauhaus erinnert, das von den Nazis 1933 gesperrt wurde. Es ist insofern folgerichtig, dass Herwig Steiner die abstrakte Formensprache verwendet, die als intellektualistisch und jüdisch verteufelt, diskreditiert und durch einen völkischen Naturalismus ersetzt wurde. Lyonel Feininger zum Beispiel praktizierte diesen „lyrischen Kubismus“, der sich vor allem in der Zersetzung architektonischer Ansichten in kristalline Strukturen zeigte. Ebensolche kristalline Strukturen changieren in Steiners Arbeiten, noch verstärkt durch die Transparenz der Glaswände. Metaphorisch gesehen die Zersplitterung der Realität, eine Abstraktion, die Identifikation unmöglich macht, höchstens Rückschlüsse auf eine suprematistische Welt à la Malewitsch zulässt – dessen Welt allerdings Zweckgebundenheit, Aussage „im Dienste“ verweigert, sich keiner Ideologie unterstellt. Gerade dieser entideologisierte Raum wird für Steiner aber Träger einer Botschaft der Utopie: Durch ihre Spiegelung in Form der Texte der Ideologie par excellence soll die Möglichkeit von deren Wiederholung gebannt werden – Dialektik der Aufklärung.
Steiner spricht von „Präformationen“: „Pre-Prints, in ihren Textbildverschränkungen könnte man sie am besten als Arbeit mit jenen Strukturen verstehen, die man allgemein dem Begriff der Präformation zuordnet – jenes akkumulierte Wissen und die darin gebundenen Wertparadigmen, die, teilweise ins Unterbewusste abgedrängt, unsere Wahrnehmung und Orientierung stark beeinflussen.“ 11
Der piktorale Subtext als Datenmaterial der Geschichte ist abstrahiert und nicht dekodierbar, er ist als Metapher für ein kollektives Gedächtnis auslegbar. Es soll als solches unkodierbar bleiben, weil für Steiner in jeder Interpretation schon der Herrschaftsdiskurs angelegt ist: „Daher gibt es bei mir keine Positionierung (der Ironie oder des Analytischen, denn dieser Anspruch wäre ein naiver, wenn damit Souveränität gemeint wäre), sondern Bewegungen in den Feldern symbolischer Massen […].“ 12
Wenn das wahr wäre, wäre jede Kritik obsolet und die Rebellion oder Revolte nur die andere Seite derselben Medaille und ein Zustand der Entropie hergestellt. Zudem wäre es unmöglich aus den Archiven der Geschichte auch nur eine Lehre zu ziehen.
Aber die „Positionierung“ besteht allein darin, einen Gesetzestext aus den Archiven zu holen, in die er inzwischen gewandert ist, wo er ein Blatt Papier darstellt wie tausende andere, und diesen Text in seiner Monstrosität vorzuführen auf dem Untergrund einer fragmentierten Fläche „symbolischer Massen“, ja vielleicht sogar als einen entideologisierten Raum der Läuterung und Sühne. Die „optische Brillanz“ garantiert Wahrnehmung in einem Feld der medialen, visuellen Präsenz von unendlich vielen optischen Reizen und Informationen.
Steiners Werk hat nichts mehr mit einem modernistischen l’art pour l’art zu tun, es ist nicht reiner, vergeistigter, interesseloser Raum mit frei flottierenden Botschaften, es ist auch nicht konzeptionelle Kunst, die sich als „Kunst als Idee“ versteht, sondern eine, welche die Apparate der Macht, denen meistens formulierte Sprache, Dogmen, zugrunde liegen, seziert und durch die Bezugnahme zur Gegenwart die relationale Verfasstheit von Texten, Räumen, Orten, Besitzverhältnissen, Funktionen, Tätern und Opfern beleuchtet.
Seit Walter Benjamin gibt es den Zweifel an der Legitimität des Autors als selbstreferenziellem Produzenten von Bedeutung, ohne die Mitwirkung des Rezipienten. Steiner liegt zweifellos wenig an einer bloß eigenschöpferischen Autorschaft, da seine Arbeit fundamental diskursiv ist und Mittel vom Sender eingesetzt werden, um beim Empfänger entsprechende Prozesse der Reflexion zu generieren – einen Prozess der Gedächtniskultur, des Erinnerns.
Sabine Folie, Wenn Gesetze infam sind, in: Andreas Manak (Hg), Herwig Steiner, Gesetz und Verbrechen, Passagenverlag, Wien 2006
“Revolution ruptures history and tradition. Active critique, realization of a doctrine, should prove stronger than worn out reality. With objects, one has collected traditions with memories. Thus, the first task of a stirring revolution would be to destroy the objects: dematerialization in favor of utopia.”
Carl Einstein 1
Herwig Steiner’s Gesetz und Verbrechen [Law and Crime] (2005) can be described as a work of Conceptual art, but also as Context art, due to its character as a factual intervention. Made for a particular context, adequate exegesis is possible only there: “The view of the cathedral and the house’s conditions of ownership — Stephansplatz 6 has always been in the hands of the Catholic Church (Archdiocese Vienna) — refer to the long tradition of religious anti-Semitism, which in Vienna cleared the way for racially motivated anti-Semitism. Excerpts from the ordinances and decrees of the national socialist racial laws equally describe the victims, the protagonists, the crime, and the legalese posture whose textual tradition is part of a continuity that extends into the present.” 2 This site-specificity supports the idea of art as memorial: “These text fields are part of an art-architecture hybrid: wall, door, entry, and passageway are permanently anchored into the building and form a fifteen square meter, visually ‘splendid’ testimony against repression and recurrence.” 3
In the course of renovating his office, the lawyer Andreas Manak & Partner commissioned Herwig Steiner to create an artistic intervention — one that could also have an architectural character. Steiner’s aim is to weave together a meaning-laden work from the “function of the office” as a “real, present day location,” with the building’s historical memory, and one of the “most drastic power discourses in history,” the Nuremberg race laws, including their ordinances and decrees.
Formally, he chose a translucent architecture of iridescence and ambiguity: a digitally generated graphic surface is imprinted in an elaborate process on glass walls that function as partitions. The generated image has a figurative style: digitally collaged with text fragments, set in different size fonts and laid over one another, which present a story and a sub- or meta-story: the story of the factuality of text, which materializes as crime, and of the meta-text, representing what Steiner once referred to as the “symbolic masses,” perhaps the sum of our collective memory and the potential for utopia, as in Carl Einstein’s 1926 statement with reference to Russian Constructivism.
The texts are neither Truisms, like those that Jenny Holzer sets into the world somewhat pretentiously and admonishingly, nor are they invented, artistically garnished slogans that parody the media world (Barbara Kruger); they are neither poetry nor the author’s invention, but rather, quotations, texts that history itself wrote in the name of law in the state of exception.
Georgio Agamben, a trained lawyer and philosopher, did extensive research into the state of exception’s jurisprudence. His illuminating contemplations offer a suitable instrument for approaching an incomprehensible perfidy on which the paradox of Gesetz und Verbrechen is founded: the creation of legislation to justify crime, that is, a total inversion of the original intention of law-making for the state of exception, namely, to enable defense of the existing legal order when imminent danger is present. From history we know of the great discretionary leeway that laws open up, and that they can be corrupted to the point where they no longer speak for justice, but instead, for injustice, yes, even justify crime or generate it. History likewise reveals how differently moral questions are answered as compared with legal questions.
The origin of the term “état de siège fictif ou politique” (fictive or political state of siege) comes from French jurisprudence, as Agamben points out, and “refers to Napoleon’s decree of 24 December 1811 — provided for the possibility of a stage of siege that the emperor cold declare whether or not a city was actually under attack or directly threatened by enemy forces.” 4 In Germany, article 48 of the Weimar constitution is what actually first enabled Hitler’s seizure of power: “Its immediate precedent was Article 68of the Bismarkian Constitution, which, in cases where ‘public security was threatened in the territory of the Reich,’ granted the emperor the power to declare a part of the Reich to be in a state of war [Kriegszustand], whose conditions and limitations followed those set forth in the Prussian law of June 4, 1851, concerning the state of siege.” 5 After the war’s end, article 48 was formed on the same basis: “If security and public order are seriously disturbed or threatened in the German Reich, the president of the Reich may take the measures necessary to reestablish security and public order, with the help of the armed forces if required. To this end he may wholly or partially suspend the fundamental rights established in Articles 114, 115, 117, 118, 123, 124 and 153.” 6 Carl Schmitt remarks, “no constitution on earth had so easily legalized a coup d’état as did the Weimar Constitution.” 7
According to Agamben, between 1919 and 1933, this state of emergency was called two hundred and fifty times with the accompanying emergency decrees, and was done so specifically to eliminate members of the Communist Party. In its final years, the Weimar Republic became a “regime of the state of exception,” which then ultimately persisted until the end of the war. Hitler’s rise to power was possible only in this vacuum: the Weimar Republic had transformed into a presidential dictatorship and the Brüning government dismissed the entire Reichstag (parliament). “The state of exception in which Germany found itself during the Hindenburg presidency [who, after 1932, was elected in opposition to Hitler and Thälmann as the Reich president and who forced Brüning to step down] was justified by Schmitt on a constitutional level by the idea that the president acted as the ‘guardian of the constitution’; but the end of the Weimar Republic clearly demonstrates that, on the contrary, a ‘protected democracy’ is not a democracy at all, and that the paradigm of constitutional dictatorship functions instead as a transitional phase that leads inevitably to the establishment of a totalitarian regime.” 8 “As a figure of necessity, the state of exception therefore appears (alongside revolution and the de facto establishment of a constitutional system) as an ‘illegal’ but perfectly ‘juridical and constitutional’ measure that is realized in the production of new norms (or of a new juridical order).” 9 So much on the dynamics and range of the “law.”
The reasoning for determining that a religious and racially identified group is endangering the Third Reich’s national security to the point of necessitating the call for a state of exception, and why, concretely, the Nuremberg race laws had to be enacted, attests to an abuse of legislation in order to implement a genocide with dimensions that had never before been seen. “Steeped in the awareness that the purity of German blood is essential for the continuity of the German people and animated by the unfaltering will to secure the German nation for the entire future, the Reichstag has decided upon the following law unanimously, which is promulgated herewith,” 10 read the preamble of the Reichsbürgergesetz (Act regarding the Citizenship of the Reich) of 15 September 1935. The object of these laws was the successive incapacitation, humiliation, and elimination of citizens of Jewish parentage and Jewish faith through a ban on employment, ban on marriage between Jews and non-Jews, forced adoption of identifiably Jewish names, and compulsory identification as a target through the Star of David (Mogen David).
In an emergency, whose determination was left to the administrative discretion of the authorities, the Nuremberg laws most certainly had provisions for annulling and bypassing the stipulated laws without having to state any reasons. Hereby an absolutely arbitrary authority in a form supposedly in conformance with the law was installed; the affected persons were entirely at its mercy.
From 1933 to 1943, the law and emergency decrees became increasingly restrictive and inhumane. In 1938, it became possible to apply them in Austria, too, in the course of Anschluss with the German Reich.
Following this excurse into the concept of the state of exception, it should be clear that those who stand behind the law are (or, rather, were) not necessarily standing up for ethical justice. Nonetheless, as Agamben says, we live today in a permanent state of exception in that the executive is increasingly granted legislative functions while parliament is deprived of power
The lawyer as technocrat, creator and executor of a legal order that is fully dependent on politics and subject to constant change? Lawyers know that they are functionaries within an order and not necessarily “parrhesiasts,” 11 soothsayers, prophets, people who stand up and tell the truth and criticize, knowing that what they say opposes the rulers, exposing themselves to danger. On the contrary, by definition, they are not allowed to do this since they must defend the existing legal order, never casting doubt upon it. Or, at least, it is not their vocation, for that would be a superior “truth,” that could, by all means, contrast the existing justice, but does not have to. It is impossible to speculate what would have happened if there had been more parrhesiasts in the Third Reich. …
By elevating what is quasi “writing on the wall” to an unusually clear presence as an omnipresent warning cry in an environment where the law is applied on a daily basis, rather than hiding it somewhere; to confront it day after day, and the clients, too, who sit in the lawyer office’s waiting room in front of this permeable wall and perceive the warning call of history as a disturbing text on a graphic background, testifies to a high level of self reflection about one’s own activities and also to an openness to the issues that are intrinsic to the administration of justice. Lawyers subject themselves to a practice, a spiritual exercise of daily self-questioning and constant alertness with regard to the changing wording of current law.
Herwig Steiner uses the wording of the law of the state of exception as a matrix, which is woven into a fabric of color fields. Perhaps it is a coincidence that he uses precisely the color of exclusion, yellow, and the color red, the color of Christ and the sacrifice. In this pictorial subtext of “dematerialization in favor of utopia,“ to use Carl Einstein’s words, the text of horror is inscribed in the form of an abstract, prismatic space of “splendid” and radiating fields. They are glass windows such as those in a church. The text of horror embellishes a surface that hints at transcendence: the evocation of contradictions is the furthest degree of interpretation that Steiner will allow.
The artist lets the text tell the story, without adding anything to it. The intervention comprises designing the “visually brilliant” matrix and selecting and creating rhythm, thereby lending significance to text passages designed in a variety of font sizes. Is that an ironic gesture? In any case, it seems that contradictions can exist side by side: absolute evil and absolute good or beauty, without canceling each other out. Indeed, it is precisely this juxtaposition that calls for quick-witted penetration.
The quotation mentioned at the outset is from one of the most important (Jewish) avant-garde critics of the 1920s, Carl Einstein, who lived in Germany, immigrated to Paris in 1928, and in 1940, like Walter Benjamin, committed suicide in flight from the Nazis. He was among the most influential theorists of Cubism, which he felt offered the opportunity to destroy ideologically contaminated objects and from the tabula rasa, from this diffuse field of abstract forms, to create the utopia of new thought.
We can find the roots of Steiner’s tradition here, in this tradition, and in that of text inscription, which leads from medieval print graphics through Dada, Cubism, Futurism, to Conceptual art, and our current neo-Conceptual art.
Spontaneously coming to mind is the Bauhaus, which the Nazis closed down in 1933. To that extent, it is logical that Steiner uses abstract morphology, which was discredited as overly intellectual and Jewish, and replaced by a folksy naturalism. Lyonel Feininger, for example, practiced this “lyrical Cubism,” which was primarily expressed in the decomposition of architectural views into crystalline structures. Similar crystalline structures shimmer in Steiner’s works, intensified through the glass wall’s transparency. Seen metaphorically, it is the splintering of reality, an abstraction, which makes identification impossible, and at most allows conclusions to be drawn of a suprematist world à la Malevich, whose world, however, refuses to be tied to a specific purpose, to make statements “in service of”, and assumes no ideology. For Steiner, it is precisely this space, void of ideologies, that becomes the carrier of a utopian message. Its reflection in the form of the ideology’s texts par excellence is meant to ban the possibility of repetition: the dialectic of enlightenment.
Steiner speaks of “preformations”: “The Pre-Prints, in their text-picture crossovers, can best be understood as work with structures that are generally considered pre-formations — the accumulated knowledge and value paradigms they contain, which are, in part, forced into the unconscious, strongly influence our awareness and orientation.” 12
Translated by Dream Coordination Office (Lisa Rosenblatt und Charlotte Eckler)
1 Carl Einstein, „Die Kunst des 20. Jahrhunderts“, Leipzig 1988 (1926), S. 269
2 Herwig Steiner, Pressetext 2005
3 ebda
4 Giorgio Agamben, „Der Ausnahmezustand“, Frankfurt am Main 2003, S. 11
5 ebda, S. 22
6 ebda
7 Zitat nach Agamben, ebenda, S. 22
8 ebda, S. 23
9 ebda, S. 37. Agamben greift hier auf Santo Romani zurück, der ein maßgeblicher Rechtsphilosoph zwischen den Weltkriegen war und der die Not als die konstitutive Quelle für die Rechtsordnung sieht.
10 Michel Foucault, „Diskurs und Wahrheit“, Berkeley-Vorlesungen 1983, Berlin 1996 Einige Anregungen verdanke ich intensiven Gesprächen mit Eva Grabherr.
11 Herwig Steiner, Pressetext 2003
12 ebda
1 Carl Einstein “Die Kunst des 20. Jahrhunderts”, Leipzig 19 (1926), p. 269
2 Herwig Steiner, Press release, 2005
3 Ibid.
4 Giorgio Agamben „State of Exception”, trans. Kevin Attell, University of Chicago Press, Chicago, 2005, p. 11
5 Ibid., p.14
6 Ibid.
7 Ibid., as quoted by Agamben, p.15
8 Ibid.
9 Ibid., p.2. Agamben refers here to Santo Romani, who was an influential philosopher of law during the inter-war period and who saw necessity as being the consititutive source for the legal order
10 English translation: www.mtsu.edu~baustin/nurm- law3.html, (13 May 2006)
11 Michel Foucault „Diskurs und Wahrheit”, Berkeley- Vorlesungen 193, Berlin 1996; For a number of contemplations, I am indebted to intensive conversations with Eva Grabherr
12 Herwig Steiner, press release, 2003
13 Ibid.