Textausschnitt: Herwig Steiner (1956L), Kunst der Attrappe, 2019 | 09 selbstgefällig
extract / Herwig Steiner (1956L), Kunst der Attrappe, 2019 | 09 selbstgefällig
As we all know, the willingness of our mind to organize the flow of impulses into fields of interpretation, into signs, corresponds to a transformation process. In doing so, the fundamentally unattainable is replaced, constituted anew in terms of consciousness, reconstituted, usually vaguely, via the selection of allocations based on situational availability.
To allow oneself to be seduced by similarities found in an associative way (according to which model?) to make projected allocations, what congruence could that produce?
Perception poses questions, reflects points of interest. Patterns of recognition and categories, preliminary, merely gradual determinations may be useful, but these strategies fail in relation to fine art. The naming process seems to become ever more an experience of domination (over that which is to be named), relative to the ambiguity of the standards used for assessment. All this is based on a peculiar blend of sentimental desire for connection and incorporation in opining thought.
There at the final point of analysis, the moment of overload, every art experience unnoticeably manifests a field of belief, of acknowledgment (as a form of the lack of critical introspection of attributive knowledge). Here, the question of recognition as well as all methods of description fail structurally due to a lack of objectifiability.
Based on their deeply rooted prerequisite for meaning in the face of the world, that (deceptive) certainty of being opposed to the identifiable, the interested beholders immobilize the principally infinite process of projecting. They stabilize what cannot be stabilized, but above all, they stabilize themselves as reproductive bearers of social agreements.
The joining of one’s own transformed standards and vocabularies with the objects on view actualizes their participation in the socio-historical space of formation. Forget the dressage; the illusion (that the concept formations) are the effects of one’s own imprint—has long been internalized. The illusion is experienced (within the process of recognition) as stabilizing. The self-stabilizing movements of consciousness will select from what is available for the sake of balancing. They will avoid the unsettling thoughts of a loss of control, a failure of identification, and therefore gently favor an agreement with platitudes in a way even they themselves do not feel. The “pleasing design,” the affirmative of the productive endeavor, turns into the “complacency” of a consumerist principle of self-service in perception.
English interpretation / Charlotte Eckler / Lisa Rosenblatt / Herwig Steiner (1956L) / 2021
Jene Bereitschaft unseres Geistes, den Impulsfluss in Deutungsfelder, in Zeichen zu ordnen, entspricht bekanntlich einem Umbildungsprozess. Dabei wird das grundsätzlich Unerreichbare ersetzt, bewusstseinsmäßig neu konstituiert, in sich vage zumeist die Auswahl der Zuordnungen aus situativer Verfügbarkeit.
Sich von assoziativ gefundener Ähnlichkeit, (nach welchem Vorbild?), zu projizierenden Zuweisungen verleiten zu lassen, welche Übereinstimmung ergäbe das?
Wahrnehmung stellt Fragen, bildet Interessenslagen ab. Erkennungsmuster und Kategorien, vorläufige, lediglich graduelle Bestimmungen, mögen nützlich sein, gegenüber Bildender Kunst fallen diese Strategien. Der Benennungsvorgang scheint, je undeutlicher die zur Einschätzung dienenden Maßstäbe sind, immer mehr zur Herrschaftserfahrung (über das zu Benennende) zu werden. All das gründet in einer merkwürdigen Mischung aus sentimentalem Verbindungswunsch und Inkorporation ins meinende Denken.
Dort am Endpunkt der Analyse, Moment der Überforderung, manifestiert jede Kunsterfahrung unbemerkt ein Feld des Glaubens, der Anerkenntnis (als Form fehlender kritischer Selbstbeobachtung des Zuordnungswissens). Hier scheitert strukturell die Frage nach dem Erkennen wie alle Beschreibungsmethoden mangels Objektivierbarkeit.
Gestützt auf ihre tief in sie verwurzelte Sinnvoraussetzung angesichts Welt, jene (trügerische) Gewissheit, Identifizierbarem gegenüber zu stehen, stellen Interessierte den prinzipiell unendlichen Projektionsprozess still. Sie stabilisieren das Nichtstabilisierbare, vor allem aber sich selbst, als reproduktiver Träger gesellschaftlicher Übereinkünfte.
Das Verbinden ins Eigene übergegangener Maßstäbe und Vokabulare mit den Objekten der Sichtung aktualisiert für das ausführende Subjekt seine Teilhabe am historisch – gesellschaftlichen Formungsraum. Vergessen die Dressur, die Illusion, es handle sich um Wirken eigener Prägung, längst verinnerlicht, wird sie (im Wiedererkennen) als haltgebend erlebt.
Die selbststabilisierenden Bewusstseinsbewegungen werden ihre Wahl aus dem zur Verfügung Stehenden zum Wohle ihres Gleichgewichts treffen. Sie werden den beunruhigenden Gedanken eines Kontrollverlusts, ein Scheitern der Identifizierungen vermeiden und deshalb, leise, selbst für sie nicht spürbar, ihre Übereinstimmung mit dem Gemeinplatz bevorzugen. Das „Gefällige“, das Affirmative der produzierenden Bestrebung wendet sich in das „Selbstgefällige“ eines konsumistischen Prinzips der Selbstbedienung in der Wahrnehmung.
bearbeiteter Ausschnitt / Kunst der Attrappe / (1985-2017 © Herwig Steiner 1956L)